LOOBesity – auf dem Weg zur Präzisionsmedizin für adipöse Patienten

Problem: Erhöhter Glukokortikoid-Stoffwechsel verstärkt Gesundheitsrisiken bei Adipositas

Ziel: Optimierung der Behandlung von adipösen Patientinnen und Patienten mit einem veränderten Stoffwechsel

Fettleibigkeit (Adipositas) ist eine Volkskrankheit, die das Risiko von Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes erhöht. Diäten und Sport bringen oft keinen dauerhaften Erfolg. Zudem hängt die Wahl der Therapie von der persönlichen Erfahrung der Behandelnden ab und es fehlen konkrete Indikatoren, welche Therapie für welche Person am besten geeignet ist. Genau hier setzt das Forschungsprojekt LOOBesity unter der Leitung von Felix Beuschlein an: Ziel ist es, für eine ausgewählte Gruppe von Betroffenen individuelle und dadurch wirkungsvollere Therapien gegen Adipositas zu entwickeln.

Besonders betroffen sind Menschen mit einem erhöhten Glukokortikoid-Stoffwechsel, der typischerweise mit Stress assoziiert wird. Diese Gruppe hat ein erhöhtes Risiko für Folgeerkrankungen. Für diese Patientengruppe sollen auf Grundlage von molekularen und radiologischen Kriterien Hinweise über die Zusammensetzung und Verteilung des Körperfetts gewonnen werden. Mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) wird dann das individuelle Risiko für Folgeerkrankungen beurteilt und darauf basierend eine personalisierte Therapieempfehlung erarbeitet. So sollen Personen mit erhöhtem Risiko anschliessend eine optimierte Behandlung erhalten, die zu einer langfristigen Gewichtsreduktion führt.

LOOBesity kombiniert verschiedene Datenquellen wie Kohortenstudien, Analysen von molekularen Signaturen, bildgebende Verfahren und computergestützte Entscheidungshilfen, um zielgerichtete personalisierte Behandlungsstrategien für adipöse Patientinnen und Patienten zu entwickeln. 2024 hat das Projekt wesentliche Fortschritte gemacht und seine gesetzten Ziele weitgehend erreicht.

Ausgewählte Forschungsergebnisse

Ein wichtiger Meilenstein war die Erweiterung der Zürcher Adipositas-Kohorte auf 437 Personen. Zudem wurde das Untersuchungsprotokoll um die Analyse des Mikrobioms ergänzt. Diese zusätzliche Dimension hilft, die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Adipositas besser zu verstehen und deren Reaktion auf verschiedene Behandlungen vorherzusagen.

Personalisierte Pharmakotherapie

Auch im Bereich der personalisierten Pharmakotherapie wurden Fortschritte erzielt. Ein funktioneller Prototyp eines Entscheidungs-Support-Systems wurde entwickelt, das in Echtzeit Nutzen und Risiken einer Behandlung mit sogenannten GLP-1-Rezeptor-Agonisten abwägt (Grafik). Diese Wirkstoffe (GLP-1-Rezeptor-Agonisten) werden zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt, und einige dieser Substanzen können zur Reduktion des Körpergewichts führen. Aufgrund erfolgreicher Pilotexperimente wird dieses Entscheidungs-Support-System im Laufe des Jahres 2025 in klinische Prozesse integriert werden.

Grafik: Entscheidungs-Support-Systeme für personalisierte Pharmakotherapie

Ein weiteres zentrales Forschungsfeld ist die molekulare Analyse von Fettgewebe. Hier wurden wesentliche Fortschritte bei der molekularen Charakterisierung von adipösen Gewebeproben gemacht. Die Methoden zur Probenentnahme und RNA-Sequenzierung wurden optimiert, wodurch die Datenqualität erheblich verbessert wurde. Ziel ist es, Zusammenhänge zwischen Gen-Expressionsdaten und der individuellen Reaktion auf Therapien zu identifizieren.

Bildgebende Verfahren zur Charakterisierung von Körperfett

Neben der molekularen Analyse spielt auch die Phänotypisierung mittels nichtinvasiver bildgebender Verfahren eine entscheidende Rolle. Deshalb wurden spezielle Magnetresonanztomographie (MRT)-Verfahren entwickelt, um die Fettverteilung im Muskelgewebe quantitativ zu erfassen. Daneben wurden Methoden für die automatische Segmentierung von Körperfett basierend auf maschinellem Lernen entwickelt. Eine wichtige Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Bildauswertung ist die quantitative Bestimmung von metabolisch aktivem braunem Fettgewebe.

Die bisherige Standardmethode zur Ermittlung der metabolischen Aktivität dieses Gewebes besteht darin, den lokalen Glukoseverbrauch mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) zu messen – einer teuren Methode, die radioaktive Substanzen ([18F]-FDG, ein kurzlebiges Radioisotop Fluor-18) erfordert und daher nicht für grosse Gruppen eingesetzt werden kann. Das LOOBesity-Projekt konnte jedoch zeigen, dass sich vergleichbare Ergebnisse durch die Analyse von Computertomographie (CT)-Bildern erzielen lassen. Mittels Analysen mit neuronalen Netzwerken wurde nachgewiesen, dass die Glukoseverbrauchsdaten mit der Röntgenabschwächung in CT-Bildern korrelieren. Da CT günstiger ist und zudem die Strahlenbelastung deutlich geringer ausfällt, könnte diese Methode zukünftig breiter eingesetzt werden.

Grafik: Querschnitt im Beckenbereich mittels CT (links), [18F]-FDG-PET (rechts) sowie das auf Basis der CT-Daten vorhergesagte [18F]-FDG-PET-Bild (Mitte). BAT: Braunes Fettgewebe / Erdil E et al. (2024) Nat Commun. 15(1): 8402.

Ausblick

Zusammenfassend hat LOOBesity im ersten Jahr entscheidende Werkzeuge entwickelt, um das Projekt erfolgreich fortzusetzen. Die Kombination von Mikrobiom-, molekularen, Bildgebungs- und klinischen Daten bildet die Grundlage für eine präzise Charakterisierung verschiedener Adipositas-Typen und die Entwicklung massgeschneiderter Therapien. Diese Ansätze sollen in der nächsten Projektphase weiter vertieft werden, um die Behandlung von Adipositas nachhaltig zu verbessern.

Beteiligte Forschungsgruppen

  • Felix Beuschlein: Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung,Universitätsspital Zürich
  • Thomas Frauenfelder: Institut für diagnostische und interventionelle Radiologie, Universitätsspital Zürich
  • Ender Konukoglu: Departement Informationstechnologie und Elektrotechnik, ETH Zürich
  • Milo Puhan: Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention, Universität Zürich
  • Christian Wolfrum: Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie, ETH Zürich

Übergewicht wirksam bekämpfen

«Adipositas ist schon jetzt eine Volkskrankheit und die Zahl der Betroffenen nimmt weiter zu. Bisherige Lösungen wie Diäten und Sport bringen oft keinen dauerhaften Erfolg.»

Das Projekt im Überblick

Leitung:

 

Prof. Dr. Felix Beuschlein
Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
am Universitätsspital Zürich

 

Beginn: Februar 2023

 

Dauer: 2023 – 2028

 

Hochschulen: ETH Zürich, Universität Zürich
Spitäler: Universitätsspital Zürich

 

Forschende: 20 – 25

 

Kooperationspartner: TU München

 

Patienten: 500